6. Lehre: Attraktivität, Qualität und mehr Geld

Auf den Punkt gebracht:
Die Lehre ist wieder im Gespräch, die Nachfrage an Lehrlingen kann nicht erfüllt werden. In immer mehr Branchen steigen auch die Lehrlingseinkommen deutlich. Corona hatte neben vielen Problemen auch positive Effekte, zB einen wahren Digitalisierungsschub bei der Ausstattung der Schüler:innen. In der Aus- und Weiterbildung beobachten wir zudem ein verstärktes Bewusstsein für die Klimakrise.

Dennoch braucht es eine kräftige und ernstgemeinte Lehrlingsoffensive: Die Lehre darf nicht nur ein Plan B sein, sondern ein aus Überzeugung gewählter Bildungsweg (auch für die Eltern). Die „Attraktivierung der Lehre“ darf nicht nur eine schön gemeinte Worthülse bleiben, es müssen Taten folgen. Das bedeutet mehr Geld, mehr Qualität und ein neues Selbstbewusstsein der Lehrlinge.

Man hat das Handeln aufgeschoben. Der Fachkräftemangel durch die demografische Entwicklung war lange vorhersehbar. Jetzt wird sein Effekt durch die schnelle wirtschaftliche Erholung nach den Lockdowns verstärkt. Gleichzeitig haben die Lockdowns und Einschränkungen bei vielen ein neues Bewusstsein für Arbeit und Lehre ausgelöst. Von vielen Eltern ist zu hören: „Wenn mein Kind schon eine Lehre macht, dann zumindest mit Homeoffice.“

Während immer mehr Fachkräfte fehlen und aus Drittstaaten angeworben werden sollen, verwehren wir motivierten jungen Asylwerber:innen eine gute Ausbildung und die Chance, sich als Fachkräfte zu beweisen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Asylwerber:innen während oder direkt im Anschluss an ihre Lehrzeit abgeschoben. Damit wird Jugendlichen ihre Zukunft geraubt, gleichzeitig den Ausbildungsbetrieben ein Schaden zugefügt.

Das duale Ausbildungssystem wird immer wieder als das weltweit beste bezeichnet. Die Politik rühmt sich mit Sieger:innen bei Berufswettbewerben. Jedoch wurde nun sichtbar, dass Unternehmen oft nur zum Selbstzweck ausbilden und diese Aufgabe nicht als gesellschaftliche Verantwortung sehen. In der Langzeitbeobachtung geht das Angebot an Lehrstellen und Ausbildungsbetrieben massiv zurück. Große Unterschiede gibt es in den Bundesländern. So benötigt beispielsweise Wien noch immer eine Vielzahl an überbetrieblichen Ausbildungsplätzen. Wir bekennen uns zum System der dualen Ausbildung.

Fast unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung wurde 2020 die umlagefinanzierte Lehrstellenförderung über den Insolvenzentgeltsicherungsfonds in eine Förderung „mit der Gießkanne“ über das allgemeine Budget umgewandelt. Ein Geschenk an die Unternehmen, denn nun zahlen die Steuerzahler:innen die betriebliche Lehrstellenförderung und nicht mehr die Unternehmen.

2018 wurde eine der größten Forderungen von unseren jungen Gewerkschafter:innen umgesetzt, die Übernahme der Internatskosten. Aufgrund steigender Lehrlingszahlen in einigen Lehrberufen platzen jedoch manche Internate mittlerweile aus allen Nähten und Schüler:innen müssen teilweise eine tägliche Anreise von über einer Stunde in Kauf nehmen!

 „Geld, Qualität und Attraktivität in der Lehre“ – Dafür braucht es:

Geld

  • Deutliche Anhebung der Lehrlingseinkommen (mindestens 1.000 Euro im 1. Lehrjahr, Annäherung an den Mindestlohn im jeweiligen KV im Abschlussjahr).
  • Allen Lehrlingen soll vom Arbeitgeber kostenlos ein Klimaticket zur Verfügung gestellt werden, auch der Erwerb des Führerscheins soll unterstützt werden.
  • Drastische Erhöhung der Ausbildungsvergütung in der überbetrieblichen Ausbildung auf ein branchenübliches Niveau. Als Sofortmaßnahme zur Abgeltung der Teuerung eine massive Anhebung auf 500 Euro im ersten Lehrjahr, 700 Euro im zweiten Lehrjahr, 900 Euro im dritten Lehrjahr und 1.100 Euro im vierten Lehrjahr.
  • Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Lehrlinge in der überbetrieblichen Ausbildung.
  • Durch Arbeitgeber:innenbeiträge umlagefinanzierte Lehrstellen- und Lehrlingsförderung.

Qualität

  • Qualitätskriterien und deren Überprüfung in den Betrieben und Berufsschulen.
  • Verpflichtende, kontinuierliche und standardisierte Weiterbildung für Ausbilder:innen
  • Berufsbilder sollen gemeinsam mit Lehrlingen und Facharbeiter:innen überarbeitet und weiterentwickelt werden
  • Begleitung von Lehrlingen nicht nur in der technischen Ausbildung (pädagogisch geschultes Personal, Hilfe und Unterstützung bei Problemen etc.).
  • Kostenlose Unterstützung bei psychischen Problemen für alle in Ausbildung.
  • Klarer Erhalt und Ausbau der Verfahren nach § 3a BAG von Seiten der Arbeitnehmer:innenvertretung – durchgeführt von den Arbeiterkammern.
  • Schnittstelle aller relevanten Stakeholder zur Planung der erforderlichen Fachkräfte (wie viele Lehrlinge müssen ausgebildet werden, um den Generationenwandel zu meistern).
  • Genaue Evaluierung des Programms „Duale Akademie“; keine Finanzierung über AMS-Mittel.
  • Verpflichtung der oder des Lehrberechtigten, den Lehrling zur Lehrabschlussprüfung (LAP) anzumelden.
  • Es ist schwierig geworden, Beisitzer:innen für die Lehrabschlussprüfungen (LAP) auf Arbeitnehmer:innen-Seite zu finden, da diese im Regelfall die Erlaubnis ihrer Arbeitgeber:innen benötigen. Wir fordern daher Freistellungsrechte für Beisitzer:innen bei LAP.

Attraktivität

  • Modernisierung der Berufsschulen und Berufsschul-Internate.
  • Übernahme der Kosten für die Ausbildung zum Meister/Werkmeister.
  • Flächendeckende Teilprüfung in der Lehrlingsausbildung.
  • Lehrlinge sollen Maturakurse während der Arbeitszeit besuchen können und für diese Zeit freigestellt werden.
  • Geflüchteten Menschen ein Recht auf eine Lehre und eine verbesserte Möglichkeit auf ein Bleibe- und Arbeitsrecht geben.

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