10. Klima und Zukunft der Arbeit(splätze) – „Just Transition“

Seit Jahr(zehnten) zeigen uns alle Prognosen zur Klimaentwicklung, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern. Die Erderwärmung schreitet zunehmend voran. Die Befürchtung, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht wird, nimmt zu. Der Handlungsspielraum wird jedes Jahr kleiner.

Wir stehen vor grundlegenden Veränderungen unserer Lebensweise, Wirtschaftsweise, Produktionsprozesse und auch der Arbeitswelt, wie wir sie kennen. Im Zentrum steht dabei der Fokus auf nachhaltige, erneuerbare Energie, umwelt- und ressourcenschonende Produktionsweisen und eine nachhaltige Mobilität. Das betrifft unsere Branchen, insbesondere im energieintensiven Bereich, besonders. Gleichzeitig sind unsere Mitglieder nicht nur in ihrer Position als Arbeitnehmer:innen betroffen. Wir alle wollen in einer Lebenswelt leben, die ihre Grundlagen nicht zerstört.

Der gewerkschaftliche Kampf war immer auf die Verbesserung der Lebensgrundlagen der arbeitenden Bevölkerung gerichtet. Zuerst war der Blickpunkt auf die Arbeitsbedingen, die Reduktion der Unfallgefahr und die Verbesserung der Arbeitsumwelt im Betrieb gerichtet. Lange hat die Gewerkschaft ihre Prioritäten so gereiht, dass die Notwendigkeit, klimapolitisch zu handeln, hintangestellt wurde. Tatsächlich hat sich aber auch unter den Arbeitnehmer:innen und ihrer Interessenvertretung ein langsamer Bewusstseinswandel vollzogen. Wir haben uns der (scheinbaren) Widersprüchlichkeit von Klimarettung und Erhalt unserer Arbeitsplätze gestellt und als PRO-GE ein eigenes Konzept entwickelt und uns folgende Fragen gestellt:

Zentrale Fragestellungen:
Wie muss der klimabedingte Transformationsprozess der Arbeitswelt gestaltet sein, damit er

  • … gemeinsam mit den Beschäftigten und auf allen Ebenen demokratisch passiert?
  •  … mit einer konkreten Strategie und einem Plan abläuft?
  • … im Sinne der Beschäftigten sozial gerecht aussieht, niemanden zurücklässt und allen Betroffenen den Lebensstandard sichert?
  • … den Wohlfahrtsstaat nachhaltig, umfassend absichert?
  • … das Leben der Vielen verbessert?

Kurz gesagt, geht es darum, die Kosten der – auf jeden Fall notwendigen – Maßnahmen, die den Klimawandel bekämpfen sollen, nicht auf den Rücken der Beschäftigten abzuwälzen. Oder anders formuliert: Klimapolitik ist Verteilungspolitik (wer trägt die Kosten, wer leidet unter den negativen Folgen, wer streift die Gewinne ein?).

Internationale Gewerkschaften haben daher das Konzept „Just Transition“ („Gerechter Wandel“) entwickelt, das Klima, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik miteinander in Verbindung setzt. Ökologische und soziale Herausforderungen müssen zusammen gedacht werden. Unter „Just Transition“ verstehen wir bewusst gesetzte Maßnahmen und sozialpolitische Interventionen, die den Prozess zu einer nachhaltigen (im Sinn von CO2-neutralen) Wirtschafts- und Produktionsweise begleiten, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen, qualitativ hochwertige Jobs, ihren Lebensstandard und ihre soziale Absicherung zu sichern.

Weiterhin auf grenzenloses Wachstum zu bauen, kann und wird nicht funktionieren! Der Klimanotstand führt uns auch vor Augen, dass wir eine Umkehr in unseren wirtschaftspolitischen Vorstellungen brauchen. Denn derzeit wird die Abwendung der Klimakrise „Kernthemen“ wie Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit untergeordnet und bleibt damit ungelöst – damit fahren wir ungebremst gegen die Wand. Wir wissen aber auch: Als Gewerkschaft brauchen wir allerdings Antworten in Hinblick auf Arbeitsplätze und Kollektivvertragsverhandlungen, auch wir bauen unsere Modelle am herkömmlichen Wachstumsbegriff auf – wir wollen uns dieser Diskussion in den kommenden fünf Jahren stellen.

Unsere Forderungen für eine sozial gerechte klimafitte Zukunft:

  • Strategie statt Verwaltung der Auswirkungen: Unternehmen müssen verpflichtet werden, langfristige Pläne der Umsetzung einer CO2-freien Produktion zu entwickeln. Dabei muss mit den Beschäftigten verhandelt werden, Betriebsräte sind von Anfang an umfassend einzubinden. Gemeinsam muss geklärt werden, was sich im Unternehmen ändern wird, was sich ändern muss, was es dafür braucht und welche Auswirkungen das auf die Beschäftigten haben wird. Gemeinsam gilt es, einen Fahrplan für die Bewältigung dieser Transformation zu gestalten und verschiedene arbeitsmarktpolitische Instrumente, von Umschulungen bis zur Arbeitszeitverkürzung, gezielt zu nutzen.
  • Grundbedingung hierfür ist ein aktiver Sozialstaat, der als strategischer Investor auftritt und in der Lage ist, sicherzustellen, dass die so wichtige Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand bleibt. Klar ist, dass eine dynamische Wirtschafts- und Industriepolitik ohne gut ausgebildete Menschen nicht funktionieren kann.
  • Energie muss für alle leistbar bleiben: Wir müssen verhindern, dass aus der Energiekrise eine soziale Krise wird. Die vergangenen Monate haben uns klar gezeigt, dass der europäische Energiemarkt in dieser Krise nicht funktioniert und nur zu völlig unrechtfertigbaren Zufallsgewinnen führt. Die logischen Konsequenzen müssen eine Marktregulierung und ein Gaspreisdeckel in Europa sein.
  • Ein rascher Umstieg von fossilen Energieträgern auf eine nachhaltige Stromproduktion erfordert auch einen ambitionierten Infrastrukturausbau. Dabei müssen aber die Finanzierungskosten gerecht verteilt werden, damit die privaten Haushalte nicht übermäßig belastet werden. Für Stromkund:innen mit niedrigem Einkommen fordern wir einen Kostendeckel sowie die Befreiung von Ökostromkosten. Damit die überfällige Energiewende gelingt, schlagen wir die Stärkung und Förderung von Forschungsclustern zwischen Unis und Wirtschaft und die Schaffung einer strategischen Rohstoffreserve vor, um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren.
  • Umweltfreundliche und kostengünstige Mobilität: Für eine nachhaltige Reduzierung der CO2-Emissionen müssen wir dringend auch den Verkehr reduzieren und anders gestalten. Wir sehen aber natürlich auch die beinharte Realität vieler unserer Kolleg:innen, ohne privaten PKW ist es ihnen nicht möglich, rechtzeitig den Arbeitsplatz zu erreichen, noch nicht einmal in den Ballungsräumen. Ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in allen Regionen ist unbedingt notwendig. Es braucht einen dichten Takt, ein gutes Netz, leistbare Tickets und Lösungen für die sogenannte „letzte Meile“ von und zum Bahnhof/Arbeitsplatz etc.
  • Um Pendeln grundsätzlich zu vermeiden, ist eine gute Standortpolitik erforderlich, die Wohnen und Arbeiten gleichermaßen berücksichtigt. Zur Entlastung von Pendler:innen, die derzeit noch auf den PKW angewiesen sind, sollen von den angrenzenden Bundesländern Park&Ride-Anlagen und von den Betrieben entsprechende Parkplätze errichtet werden. Ergänzend soll es günstige Wohnmöglichkeiten für Wochenpendler:innen geben.
  • Eine EU-Investitionsoffensive zum Ausbau der Eisenbahnnetze: Österreichische Unternehmen würden vielfältig davon profitieren (Waggonbau, Signaltechnologie, Schienen, Weichen, Gleisbaumaschinen).

Inhaltsverzeichnis