14. Wirtschaftspolitik – Wie soll sich unsere Wirtschaft in Zukunft entwickeln?

Fact Box: „Geht’s allen gut, geht’s der Wirtschaft gut!“
Sozialer Friede setzt unter anderem zwei Dinge voraus: Arbeitsplatzsicherheit und ein entsprechendes Einkommen (Stabilität!). Derzeit herrscht aber vor allem die Angst, abgehängt zu werden und ökonomisch nicht mehr stemmen zu können. Eine wesentliche Säule eines starken, aktiven Staates ist daher auch die Wirtschaftspolitik und ihre Ausgestaltung. Doch wem dient die aktuelle Wirtschaftspolitik, wem soll sie dienen? Wer formuliert Wirtschaftspolitik?

Die sich aneinanderreihenden „Krisen“, aber auch die Gelassenheit, mit der überdringliche Maßnahmen beiseitegeschoben werden (Stichwort Klimakrise), haben uns vor allem eines gezeigt: Weder die Bundesregierung noch die EU haben einen Plan oder Lösungen. Es werden beliebige „Leuchtturmprojekte“ (oft unter hohem politischem Einsatz) verfolgt anstelle von Strategien. Viele Maßnahmen der vergangenen Jahre haben vor allem zu einer Deregulierung und Liberalisierung zugunsten großer Konzerne geführt. Gleichzeitig entwickelt sich die Budgetpolitik zu einer Art „Geld-Verteilungsmaschine“ für Unternehmen und Spitzenverdiener:innen – eine Entwicklung zum Schaden von uns allen. Denn leeren Kassen folgt gebetsmühlenartig der Ruf nach Kürzungen im Sozialstaat. Eine Entwicklung, die dringend gestoppt werden muss.

Produktionspolitik – Demokratie oder Markt?
Wer entscheidet, welche Produkte in einer Volkswirtschaft erzeugt werden? Wo ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer:innen? Wie werden die Bedingungen der Produktion gestaltet? Tatsächlich fehlt in Österreich eine ausreichende gesellschaftliche Aushandlung, was wir für wen, warum, in welchem Ausmaß und wie in Österreich produzieren wollen. Kurzum: Es fehlt eine aktive und bewusste Produktionspolitik.

Auf der anderen Seite fehlen uns auch ausreichende Anpassungsstrategien für unvorhersehbare Krisen (wie zB die Corona-Pandemie) genauso wie für lange vorhersehbare Veränderungsprozesse (wie zB die Abkehr von Erdöl und Erdgas und alle damit verbundenen Folgen, Globalisierungsfolgen, Lieferkettenproblematiken etc.)

Der Markt regelt nur eins: Wer reich ist, wird immer reicher. Eine Produktionspolitik darf sich nicht daran orientieren, was „größer, schneller und billiger“ produziert werden kann, um letztlich wiederum nur den Gewinn zu maximieren. Sie muss sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung, an den Vielen, und an der Versorgungssicherheit orientieren. Dafür brauchen wir eine Strategie, die umfassend eine große Bandbreite an Politikbereichen mitberücksichtigt: Energie, Regionalpolitik, öffentliche Infrastruktur, Verkehr, Raumplanung, Beschäftigungspolitik, öffentliches Eigentum, Bildung, Forschung etc. Das wird uns nicht gelingen, wenn wir die Ausverhandlung über notwendige und erwünschte Produktion sowie Infrastruktur dem Markt überlassen.

Es wird fälschlicherweise vorausgesetzt, dass der Markt demokratisch wäre. Tatsächlich regelt er nur, dass diejenigen, die besseren Zugang zu Kapital, Produktionsmitteln und Information haben, sich gegenüber anderen Marktteilnehmer: innen durchsetzen. Das ist kein Zufall, das ist gewollt. Das klammert alle Fragen aus, die nicht im Interesse der Einzelnen, sondern im Interesse der Gesellschaft, der Vielen, sind (zB Nachhaltigkeit). Der Staat und seine wichtige Aufgabe, zu reglementieren und steuernd einzugreifen, gilt da schon ein bisschen als „anrüchig“, solchen Eingriffen wird die Seriosität und die Legitimität abgesprochen. Das ist zutiefst undemokratisch.

Die Produktionsgewerkschaft fordert:

  • Eine aktive, strategische und steuernde Rolle des Staates.
  • Die Sicherung der nachhaltigen Energieversorgung und regionalen Selbstversorgung mit hochwertigen Grundnahrungsmitteln und Selbstversorgung mit medizinischen Grundprodukten (Medikamente).
  • Lohn-Preis-Kommissionen und Preis-Kontrollen für essenzielle Bereiche der Daseinsvorsorge, um sicherzustellen, dass Preiserhöhungen aus realen Kosten und nicht aus Gewinnmaximierung resultieren.
  • Energie, Verkehr, Wohnen, Gas-, Wasser-, Elektrizitäts- und Wärmeversorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Gesundheitsversorgung, Pflegeversorgung, Bildungseinrichtungen, Kommunikationsnetzwerke und Kultureinrichtungen dürfen nicht mehr den Marktmechanismen unterworfen werden.
  • Technologieentwicklung und Forschung(sförderung) für die Allgemeinheit: Definition von Forschungszielen, Förderungen in Beteiligungen umwandeln. Unternehmen, die öffentliche Forschungsförderung beziehen, müssen bestimmte soziale Kriterien erfüllen und bestimmte Verpflichtungen eingehen (Standortgarantie etc.).
  • Eigentumsfrage: Strategische Stärkung öffentlichen Eigentums; öffentliches Eigentum allein reicht allerdings nicht aus: Rücknahme der Marktliberalisierung.
  • Beschränkungen bei Ausschüttungen und Verschärfung der Ausschüttungssperren (vor allem bei „Notzeit“-Förderungsempfang (zB COVID-Hilfen).

Digitalisierung als Anker für die Industrie – Digitalisierung „richtig gemacht“ (Studie Kompass 4.0)
Die zunehmende Digitalisierung in den Betrieben ist ein Fakt – doch was hat das für Folgen für uns Beschäftigte? Stimmt die Befürchtung, dass zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen? Wer schlägt aus der Digitalisierung Profit und wer trägt dafür die Kosten? Welche positiven Auswirkungen kann der technologische Wandel (auf die Arbeitswelt) haben?

Diesen Wandel, den wir in den Betrieben hautnah spüren, haben wir uns im Vorfeld des Gewerkschaftstages 2023 in einer Studie, dem Kompass 4.0, gewidmet.

Der Digitalisierungsgrad in unseren Branchen ist recht weit fortgeschritten: 48 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Produktion vollständig vernetzt ist und weitere 37 Prozent sehen immerhin bestimmte teilvernetzte „Inseln“. Mehr als die Hälfte der Produktionsbetriebe setzen Apps zur Arbeitserfassung (Stempeln, Schichtplan, Kommunikation) oder Erfassung mittels QR-Codes ein. 42 Prozent verwenden in der Produktion Tools zur Maschinenbedienung (zB Handy, Tablett, Smartwatch) und auch fahrerlose Transportsysteme gibt es in 17 Prozent der Unternehmen. Sogar kollaborative Roboter arbeiten schon in 18 Prozent der Unternehmen mit unseren Kolleg:innen zusammen. Anspruchsvolle Technologien wie AR-Brillen, Exoskelette und Künstliche Intelligenz (KI) sind mit Einsatz in 4 bis 5 Prozent der Unternehmen noch am Anfang.

Die Einbindung der Arbeitnehmer:innen in technische Veränderungsprozesse passiert dabei allerdings nur mäßig, was sich auf die Stimmung in den Betrieben hinsichtlich des gesamten Digitalisierungsprozesses niederschlägt. Wir sehen, dass der Betriebsrat eine wesentliche Rolle im Meinungsbildungsprozess zu Digitalisierungsvorhaben einnimmt. Unternehmen sollten daher unbedingt den Betriebsrat aktiv in die Kommunikation rund um einen Digitalisierungs-Change-Prozess einbinden, um so ein positives Verständnis in der Belegschaft zu erreichen.

Viele Berichte aus den Betrieben zeigen auch, dass die Anforderungen an unsere Kolleg:innen auseinander driften. Die einen beschreiben eine steigende Monotonie durch Systemvorgaben, die an Akkordarbeit erinnert. Die anderen loben das spannendere Arbeitsumfeld. Beide Gruppen beschreiben aber den steigenden Druck auf die Belegschaft, weil Managementfehler auf die Mitarbeiter:inner umgelegt werden und sie zu den Problemlöser:innen werden müssen.

Wir sehen folgende Probleme:

  • Tätigkeitsstrukturen, Qualifikationen und Arbeitsplätze verändern sich.
  • Die Stammbelegschaft wird zunehmend durch befristete bzw. zugekaufte Arbeitskräfte ersetzt – Spezialist:innen ebenso wie Hilfskräfte; das reduziert auch die betriebliche Mitbestimmung auf einen immer geringeren Anteil der Beschäftigten.
  • Ungleiche Verteilung der Erträge aus den Produktivitätszuwächsen zugunsten der Kapitaleigner:innen („Who owns the robots rules the world“).
  • Negative Beschäftigungseffekte für manche Bereiche, insbesondere bei niedrigen und mittleren Qualifikationserfordernissen.
  • Mangelnde Investitionsbereitschaft in vielen Unternehmen.
  • Wenig Rücksichtnahme auf den Menschen bei der Technikgestaltung.

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