5. Unsere Arbeit – Unsere Rechte

Unsere Arbeit, Arbeitsweise, Betriebsstrukturen, Arbeitsmittel und gesellschaftlichen Herausforderungen sind einem stetigen Wandel unterworfen. Die Veränderungsspirale, in der wir uns aktuell befinden, macht natürlich vor der Arbeit nicht halt – im Gegenteil: Anhaltende neoliberale Managementdogmen, Digitalisierung und Klimaveränderung haben das Potenzial, gravierende Umbrüche zu verursachen. Hat unser Arbeitsrecht darauf eine Antwort? Ist es noch fit, um mit den Veränderungen Schritt zu halten? Und kann das Vertretungsmandat des Betriebsrats noch mithalten?

Wir sind stolz, Arbeiter:innen zu sein! In den vergangenen Jahren waren wir Arbeiter:innen so vielen Angriffen von Seiten der Regierung ausgesetzt, wie selten zuvor: Abschaffung der Möglichkeit, abschlagsfrei nach 45 Jahren in Pension zu gehen, Angriffe auf die Blockvariante der Altersteilzeit und vieles mehr. Das ist nicht zufällig, sondern Ausdruck einer geringen Wertschätzung von Arbeiter:innen, ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitsrealität.

Dass sich dieser Bruch quer durch die Gesellschaft zieht, haben wir in der Corona-Pandemie gesehen – während viele im Homeoffice waren, mussten unsere Kolleg:innen (oft ungeschützt) in der Produktion, auf Montage etc. arbeiten. Denn produziert wird am Produkt, montiert wird bei den Kund:innen – dies lässt keinen Spielraum für neue, digitale Arbeitsorte.

Viele Arbeiter:innen haben in den vergangenen Jahren das Gefühl bekommen, die Verlierer:innen großer Entwicklungen und Umbrüche zu sein, weil sie sich nicht mehr gesehen oder gehört fühlen. Weil ihre Lebensrealitäten (zB zu kaputt für ein Weiterarbeiten bis 65 zu sein) von der Politik nicht gesehen oder sogar lächerlich gemacht werden. Das hat auch Auswirkungen darauf, wie unsere Kolleg:innen Demokratie erleben und sich als Teil der gesellschaftlichen Prozesse wahrnehmen.

5.1. Arbeitszeit

Wir sollen immer länger und flexibler, dafür möglichst billig arbeiten. Das geht an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer:innen komplett vorbei. Unter unseren Kolleg:innen wird Zeit immer relevanter und oftmals höher geschätzt als Geld. In Zeiten extrem hoher Inflation brauchen aber alle mehr Geld. Das bremst viele Versuche einer Arbeitszeitverkürzung aus.

Die Wiedereinführung des 12-Stunden-Tags und der 60-Stunden-Woche – und damit die unverhohlene Umsetzung einer langjährigen Arbeitgeber:innenforderung ohne irgendeinen Interessenausgleich – war ein sozialpolitischer Tabubruch und hat die Rahmenbedingungen in den Betrieben zum Nachteil unserer Kolleg:innen verschoben.

Tatsächlich scheinen Kurzarbeit und übervolle Auftragsbücher einander abzuwechseln. Überstunden sind zum Normalzustand und zum Personalplanungsinstrument geworden. Extreme Arbeitsverdichtung und Personalmangel bringen unsere Kolleg:innen an und über ihre Grenzen.

Belastende Arbeit braucht eine Reduktion der Arbeitszeit und längere zusammenhängende Freizeit. Die 4-Tage-Woche ist in aller Munde, doch wollen wir kein Arbeitszeitmodell für junge, ungebundene Männer promoten und gleichzeitig die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf anprangern. Dasselbe gilt für das Fehlen alternsgerechter Arbeitsrealitäten. Eine 4-Tage-Woche ist für uns daher „sozial verträglich“ nur bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung (zB 4 x 9 Stunden oder ein entsprechendes Schichtmodell) umsetzbar.

Die aktuelle politische Situation lässt eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung unrealistisch erscheinen, wir geben sie jedoch als langfristiges Ziel nicht auf. Parallel werden wir weiterhin unsere Bestrebungen zu einer Arbeitszeitverkürzung auf Branchenebene und mittels innovativer betrieblicher Modelle fortsetzen.

Unsere politische Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung hat mehrere Hintergründe:

  • eine Weitergabe von Produktivitätszuwächsen,
  • Attraktivität der Arbeitsplätze, um den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen,
  • eine gerechtere Verteilung von Erwerbsarbeit und gleichzeitig eine Entlastung für all jene, die permanent am Limit arbeiten,
  • gesündere Arbeitsverhältnisse (kein Burnout, keine Überbelastung),
  • mehr Zeit für Familie und Freizeit und damit auch eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit (Kinder, Pflege etc.) und eine bessere Vereinbarkeit.

Wir wollen die faktische Arbeitszeit zurückdrängen: Überstunden sollen wieder zum Ausnahmefall werden und kein Personalplanungsinstrument sein. Gleichzeitig haben wir in manchen Branchen nach wie vor so niedrige Löhne, dass die Leistung von Überstunden allein aus finanziellen Gründen notwendig ist. Hier kann und muss mit höheren Löhnen gegengesteuert werden.

Neben der Bezahlung stellt sich die zentrale Frage, wer bestimmt, wann und in welchem Ausmaß gearbeitet wird und wann Freizeit stattfindet. Paradoxer Weise kommen zahlreiche der bestehenden Möglichkeiten an „Zeitautonomie“ oder mehr Freizeit ausgerechnet aus jener Flexibilisierung, die den Arbeitgeber:innen dient: Erst durch den Aufbau an Zeitguthaben (durch zB Arbeit in Bandbreitenmodellen oder Gleitzeit) stellt sich vielerorts die Frage, wer über deren Verbrauch bestimmen kann. Sich Zeit „zurückkaufen“ (Freizeit einarbeiten) ist eigentlich nicht unsere vorderste Forderung, aber ein wichtiger Schritt. Denn dieses Modell hat einen Vorteil: Selbstbestimmtheit und Autonomie beim Verbrauch von Freizeit.

In diesem Bereich zeigen einige Kollektivverträge der PRO-GE, dass Zeitautonomie für Arbeitnehmer:innen keine unrealisierbare Wunschvorstellung ist. Im Kollektivvertrag für die Metallindustrie kann beispielsweise der Verbrauch von Zeitguthaben aus geleisteten Überstunden von den Arbeitnehmer:innen einseitig bestimmt werden.

Unsere Forderungen:

Kürzere Arbeitszeiten. Überlange Arbeitszeiten sind gesundheitsschädlich, gefährlich, haben nachteilige Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben und vernichten Arbeitsplätze.

  • Wir fordern daher weiterhin eine deutliche, allgemeine, gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden, mittelfristig auf 30 Stunden, selbstverständlich mit vollem Lohnausgleich und entsprechender Personalaufstockung.
  • Unmittelbar: Eine Verkürzung auf 38,5 Stunden in jenen Kollektivverträgen, wo wir derzeit noch 40 Stunden haben .
  • Eine 4-Tage-Woche (nur) bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung (zB 4 x 9 Stunden), gleichzeitig Schaffung eines Rechtsanspruchs zur Durchsetzbarkeit dieses Arbeitszeitmodells.
  • Nutzung und Ausbau bestehender Modelle wie der Soli-Prämie wie im Kapitel Arbeitsmarktpolitik im (Klima)Wandel ausgeführt.
  • Deutliche Verkürzung der Arbeitszeit für belastende Tätigkeiten (zB Nachtarbeit) sowie Ausbau gesunder Schichtmodelle mit verkürzter Arbeitszeit.
  • Verpflichtendes Monitoring von Überstunden: Ab einer gewissen Anzahl muss weiteres Personal eingestellt werden und andere Entlastungsmaßnahmen müssen getroffen werden.
  • Leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche.
  • Kein Aufweichen von Schutzvorschriften! (zB Arbeitszeitgrenzen von Jugendlichen oder Schwangeren)

Mehr Selbstbestimmung (Autonomie-Paket). Arbeitszeit muss besser vorhersehbar, planbar und mitbestimmbar sein, nur dann kann eine entsprechende Vereinbarkeit mit Familie, Weiterbildung und dem sonstigen Privatleben gewährleistet werden.

  • Die Befugnisse des Kollektivvertrags in Hinblick auf flexible Arbeitszeit dürfen nicht angetastet werden, insbesondere nicht auf die Betriebsebene verlagert werden.
  • Planbarkeit von Arbeitszeit, sowohl hinsichtlich schwankender Arbeitszeiten als auch der Leistung von Mehr- und Überstunden.
  • Selbstbestimmter Verbrauch von Zeitausgleich aus der Leistung von Mehr- und Überstunden, aber auch eines Teils der Gutstunden aus flexiblen Arbeitszeitmodellen (Arbeiter:innen-„Gleitzeit“).
  • Verbindliche und leicht aktivierbare Wahlmöglichkeiten zwischen Zeit und Geld bei Überstunden, Zuschlägen und Jubiläumsgeldern.
  • Einen Rechtsanspruch auf Sabbaticals (eine „angesparte“ Auszeit ohne einen Grund rechtfertigen zu müssen) und Altersteilzeit (in der kontinuierlichen und der Blockvariante, ohne Verschlechterungen beispielsweise beim Antrittsalter oder Entgelteinbußen bei der Blockvariante).
  • Rechtsanspruch auf Bildungsteilzeit und -karenz.
  • Eltern von Kindern sollen beim Verbrauch ihres Erholungsurlaubes bis zum Ende der Schulpflicht der Kinder zur Erleichterung ihrer Betreuungspflichten bevorzugt werden.

Teilzeit. Individuelle Teilzeitarbeit ist auch in unseren Branchen ein wachsendes Phänomen – für die Betroffenen (in der Regel Frauen) ergibt sich jedoch eine Palette von Nachteilen. Wir fordern daher:

  • Gleiche Aufstiegschancen für Teilzeitbeschäftigte, einen Rechtsanspruch auf Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes und einen Vorrang bei der Nachbesetzung von Vollzeitarbeitsplätzen.
  • Schaffung und Ausbau hochwertiger Teilzeitarbeitsstellen mit über 30 Wochenstunden verbunden mit dem langfristigen Ziel einer Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- Personalausgleich.
  • Kontrolle der Einhaltung des Mehrarbeitszuschlags bei Teilzeit und die Abschaffung des Durchrechnungszeitraumes.
  • Verpflichtende Information, dass lange Teilzeitphasen pensionsschädigend sind.
  • Hohe Verwaltungsstrafen bei nachgewiesener Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten.

Wir als PRO-GE nehmen uns vor:

  • Wir werden sowohl auf Branchenebene als auch in den Betrieben unsere Bestrebungen zu einer Arbeitszeitverkürzung und damit gesünderen und attraktiveren Arbeitszeitmodellen fortsetzen. Die Bandbreite reicht dabei von der „klassischen“ Reduktion der Wochenarbeitszeit über die Freizeitoption bis zur Arbeitszeitverkürzung Mithilfe der sogenannten „Soli-Prämie“ des AMS.
  • Wir werden uns weiterhin für die Weiterentwicklung von Modellen einsetzen, in denen mit Hilfe öffentlicher Förderungen ein Einstieg in eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung gelingen kann.

5.2. Arbeit und Gesundheit

Arbeitszeit
Belastende Arbeitszeiten (zB sehr lange tägliche oder wöchentliche Arbeitszeiten, Nachtarbeit) sind in manchen betrieblichen Situationen unumgänglich. Das ändert allerdings nichts an ihrem belastenden Charakter, sie müssen daher unbedingt auf ein Minimum begrenzt werden (zB möglichst wenige 12-Stunden-Schichten), in ein „gesundes“ Schichtmodell eingebettet sein (5-Schichtmodell, Vorwärtsrollierung) und mit einer Reduktion der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit kombiniert werden.

Wir fordern daher:

  • Verpflichtende Prävention und Aufklärung in den Betrieben hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen verschiedener Arbeitszeitmodelle, insbesondere in Hinblick auf ihre Langzeit-Auswirkungen und finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung gesünderer Modelle.
  • Die Verpflichtung zur Erstellung und Erörterung von Arbeitszeitbilanzen.
  • Die effektivere Kontrolle von Arbeitszeitgrenzen durch das Arbeitsinspektorat und eine Ausstattung des Arbeitsinspektorats mit entsprechenden Ressourcen.
  • Zwingende bezahlte Pausen bei belastender Arbeitszeit – sie dürfen nicht zu einer Verlängerung der Anwesenheitszeiten im Betrieb führen.
  • Zusätzliche Urlaubstage für belastende Arbeiten nach dem Vorbild des Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG).
  • Zwingende Zuschläge für Feiertagsarbeit von 200 Prozent. Zeitzuschlag für Überstunden zusätzlich zum regulären Zuschlag.
  • Einen Rechtsanspruch auf den Wechsel aus belastenden Arbeitszeiten (Schichtarbeit, „stehende“ Nachtschicht etc) ohne Lohnverlust und Reduktion von Ansprüchen.

Arbeitnehmer:innenschutz
Arbeitsunfälle sinken weiterhin kontinuierlich, allerdings sind psychische Erkrankungen im Steigen begriffen. Verantwortlich dafür sind lange Arbeitszeiten, Zeitdruck, erhöhte Stückzahlvorgaben, Arbeitsverdichtung, aber auch das Arbeitsklima und die belastende „Gesamtsituation“ für die Arbeitnehmer:innen (Angst vor Arbeitsplatzverlust, innere Kündigung).

Der steigende Arbeitsdruck hat vielerorts zu einer Veränderung des Betriebsklimas geführt, insbesondere die unterste Führungseben ist viel zu wenig geschult und erzeugt einen irrsinnigen Druck auf die Beschäftigten.

Neue technische Entwicklungen (Industrie 4.0) schaffen oft eine Erleichterung im ergonomischen Bereich oder durch zentrale Steuerung zB von Raumklima oder Licht. Aufgrund vermehrter direkter Information kommt es zu weniger Informationsverlust durch Vorgesetzte oder bei Schichtübergabe. Gleichzeitig steigt aber der Druck, neue Technologien zu erlernen, die Belegschaft spaltet sich in Kolleg:innen mit einer hoch technologisierten Ausbildung und solche, die sich im Mithalten schwerer tun. Viele neue Technologien haben zudem ein großes Überwachungspotenzial und führen zu vermehrter Leistungskontrolle und Leistungsverdichtung, das erzeugt Misstrauen und Arbeitsdruck.

Auch die Betriebskultur ist einem Wandel unterworfen, der zu vermeidbaren Konfliktfeldern führt (Sprache und Kommunikation mit Kolleg:innen mit anderem Sprachhintergrund).

Unsere Forderungen:

  • Die Konkretisierung der Evaluierungspflicht psychischer Belastungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) und das verpflichtende Erstellen und Evaluieren eines durchsetzbaren Maßnahmenplans.
  • Stärkung der Arbeitsinspektionen
  • Höhere Strafen nach dem ASchG und dem Arbeitszeitgesetz (AZG), dazu gehört insbesondere auch ein Festhalten am verwaltungsstrafrechtlichen Kumulationsprinzip.
  • Verpflichtende Einbeziehung von Expert:innen (Arbeitspsychologie, AUVA, Arbeitsplatzevaluierung).
  • Deutschkurse im Unternehmen, gezielte betriebliche Integrationsüberlegungen seitens des Managements; Sicherheitsunterweisung in der Muttersprache.
  • Der Arbeitnehmer:innenschutz und das Arbeitszeitgesetz sind an Belastungen durch den Klimawandel anzupassen, zB bei Arbeit bei Hitze und Sonne im Freien (bezahlte Pausen im Kühlen, Versorgung mit Getränken, kürzere Arbeitszeiten, „hitzefrei“, technische Hilfsmittel etc.). Die betroffenen Arbeitnehmer:innen müssen informiert werden, was Hitze bewirkt und wie man sich schützen kann.

Alternsgerechtes Arbeiten
Wir sollen stets länger im Erwerbsleben bleiben, doch wird älteren Arbeitnehmer:innen in unserer auf „Jungsein“ fixierten Gesellschaft schnell vermittelt, nicht mehr gebraucht zu werden. Gleichzeitig sind die Arbeitsbedingungen in vielen Betrieben nicht geeignet, die Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit auch mit steigendem Alter zu erhalten.

Aufgrund der demografischen Entwicklung gehen aktuell viele erfahrene Mitarbeiter:innen zeitgleich in Pension, damit geht oft wertvolle Erfahrung verloren. Es fehlt an betrieblichen Organisationsstrukturen, dieses Wissen zeitgerecht weiterzugeben.

Während in jungen Jahren körperliche oder körperlich schwere Arbeiten noch leichter zu verrichten sind, steigen mit zunehmendem Alter die Erfahrungen und die damit einhergehenden Fähigkeiten, wie die optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen, die Einschätzung von Gefahren etc.

Neben körperlicher Anstrengung sind vor allem Arbeitsdruck und Zeitdruck mit zunehmendem Alter immer größere Belastungen. Aber auch bestimmte Arbeitszeitformen wie Schichtarbeit – und hier vor allem die Nachtschicht – hinterlassen mit steigendem Alter noch größere körperliche Spuren, als sie es ohnehin schon tun.

Für viele Kolleg:innen ist alternsgerechtes Arbeiten jedoch weiterhin eine Illusion. Mit der geblockten Altersteilzeit soll nun die allerletzte Möglichkeit gestrichen werden, ohne nachhaltige negative Folgen in eine Art „Vorruhestand“ zu gehen. Das ist ein Zustand, den wir so nicht hinnehmen können.

Das erfordert:

  • Die Berücksichtigung des Alters und der Stärken aller Mitarbeiter:innen in der Arbeitsorganisation, bei den Arbeitsanforderungen, den Arbeitsabläufen und den betrieblichen Karrieremöglichkeiten.
  • Möglichkeiten für Kolleg:innen, die nach jahrzehntelanger schwerer, körperlicher Arbeit nicht mehr können, vorzeitig in Pension zu gehen oder mit Hilfe von Überbrückungsmodellen (ähnlich wie am Bau) ohne Einbüßen des Lebensstandards aus dem Erwerbsleben zu scheiden.

Als PRO-GE werden wir unsere Möglichkeiten nutzen und entsprechende Modelle auf Betriebs- und Kollektivvertragsebene entwickeln. Darüber hinaus ist aber auch der Gesetzgeber gefordert, die Verschlechterungen der letzten Jahre im Bereich der Altersteilzeit zurückzunehmen und an Verbesserungen – beispielsweise ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit – im Interesse der Beschäftigten mitzuwirken.

5.3. Betriebsräte

Angriffen gegen Betriebsräte entschieden entgegentreten. Betriebsräten weht dieser Tage ein immer rauerer Wind entgegen. Das gilt insbesondere für die erstmalige Wahl eines Betriebsrats. Behinderung und Verhinderungen von Wahlen, rechtswidrige Entlassungen und Kündigungen jener, die sich für den Betriebsrat aufstellen lassen, Sabotage und Schikane des Betriebsrats in Ausübung seiner Tätigkeit, psychischer Druck und „gelbe“ Gegenlisten nehmen seit Jahren stetig zu.

2017 konnte eine der zentralen Forderung der PRO-GE im Arbeitsrecht umgesetzt werden und in den wichtigsten Bereichen endlich die ungleiche Behandlung von Arbeiter:innen und Angestellten beseitigt werden. Seitdem reißt jedoch die Diskussion nicht ab, auch die Betriebsräte zu „vereinheitlichen“. Gleiche Rechte und Beseitigung von Diskriminierung bedeuten für uns allerdings nicht, dass es keine getrennten Betriebsräte mehr braucht. Denn die Arbeitssituation und betriebliche Realität für Angestellte im Büro und Arbeiter:innen in der Halle oder auf der Baustelle sind nach wie vor eine andere Welt. Wir beobachten mit großer Skepsis, dass die Diskussion um einen einheitlichen Arbeitnehmer:innenbegriff der Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung dienen soll (insgesamt weniger Betriebsratsmitglieder etc.). Dagegen werden wir uns weiterhin entschieden wehren!

Zur Stärkung der Rechte der Betriebsräte fordern wir:

  • Strafrechtliche Sanktionen bei der Behinderung oder Verhinderung von Betriebsrats- oder Jugendvertrauensrats-Wahlen sowie spürbare Strafen bei Verstößen gegen Mitwirkungsrechte des Betriebsrats (Vorbild Deutschland). Etwaige Strafgelder sollen, sobald in diesem Betrieb ein Betriebsrat gewählt wurde, dem BR-Fonds zur Verfügung stehen.
  • Betriebe, die eine Betriebsratswahl vereiteln oder gar verhindern, sind für fünf Jahre von jeder öffentlichen Förderung und Auftragsvergabe auszuschließen.
  • Einen erweiterten Kündigungs- und Entlassungsschutz für die Initiator:innen von Betriebsratswahlen.
  • Vereinfachung der Betriebsratswahl zB durch kürzere Fristen für die erstmalige Betriebsratswahl, um Sabotage zu erschweren; Anpassung der Fristen bei der Briefwahl.
  • Einen verpflichtenden Frauenanteil in der Betriebsratskörperschaft im Ausmaß des Frauenanteils im Betrieb.
  • Zusätzlich zur Ad-hoc-Freistellung muss es das Recht geben, fixe, regelmäßige Teilfreistellungen für bestimmte Tätigkeiten festzulegen.
  • Möglichkeit der Teilung einer Freistellung.
  • Herabsetzung der Freistellungsgrenzen. Kein Wegfall der Freistellung während einer laufenden Funktionsperiode, anteilige Freistellung unterhalb der Beschäftigtengrenze.
  • Gewerkschaftsarbeit ist Betriebsratsarbeit! Das Erfordernis der unmittelbaren Betriebsbezogenheit im Zusammenhang mit der Teilnahme an Gewerkschaftsveranstaltungen wie beispielsweise Betriebsratskonferenzen ist zu eng und widerspricht dem umfassenden Interessenvertretungsmandat des Betriebsrats.
  • Stärkung der Rechtsstellung der Ersatzmitglieder des Betriebsrats.
  • Ausweitung der Bildungsfreistellung auf fünf Wochen, gemeinsamer Pool für Bildungsfreistellung (ohne dass der Anspruch der oder des Einzelnen davon berührt wird).
  • Besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz für Sicherheitsvertrauenspersonen (anstelle der bisherigen Möglichkeit einer Motivanfechtung).
  • Entgeltfortzahlung bei Betriebsversammlungen.

Ausbau der wirtschaftlichen Mitbestimmung:

  • Vetorecht des Betriebsrats gegen das Filetieren von Unternehmen (Ausgliederung der Grundstücke, ertragsstarker Teilbereiche etc.), bei schleichender Betriebs- oder Organisationsänderung und bei Investitionen.
  • Informationspflichten der Betriebsinhaber:innen im Zusammenhang mit Ansuchen um öffentliche Förderungen (Rechenschaft darüber, wohin die Gewinne aus diesen Förderungen gehen).
  • Stärkung der Rechte der Konzernvertretung gegenüber ausländischen Konzernen.

Datensicherheit und Schutz personenbezogener Daten
Wir leben in einer immer mehr digitalisierten Welt, das betrifft auch unseren Arbeitsalltag. Das Drohszenario, dass dadurch hunderte oder gar tausende Jobs wegfallen, hat sich als nichtzutreffendes Schreckgespenst herausgestellt. Die tatsächlichen Auswirkungen sind andere – und sie kommen schleichend.

Digitale Anwendungen bringen regelmäßig die Sammlung großer Datenmengen mit sich und genau hier liegen die Missbrauchsmöglichkeiten (nicht umsonst werden Daten als das „Gold des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet): Verhaltenskontrolle, stetig steigender Arbeitsdruck, maschinengesteuerte Entscheidungen und eine Durchleuchtung bis hin zu „Gläsernen Mitarbeiter:innen“.

Unsere Mitbestimmungsmöglichkeiten im Arbeitsverfassungsgesetz sind mehr als 40 Jahre alt, sie sind aber „technikneutral“ gestaltet und halten somit mit der technologischen Entwicklung gut Schritt. Aufgrund der Komplexität moderner Technologien und Anwendungen kommt allerdings der Information darüber, welches System eingesetzt wird, was es kann und welche Gefahren dieser Einsatz insbesondere in Hinblick auf Überwachung und Kontrolle mit sich bringt, eine steigende Bedeutung zu. Hier gilt es nachzuschärfen.

Wir fordern daher:

  • Der Einsatz neuer Technologien muss von Anfang an mitwirkungspflichtig sein. Dafür braucht es frühzeitige Informationspflichten an den Betriebsrat, verpflichtende Risikoanalysen, aber auch den Abschluss einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung über den konkreten Einsatz der Technologie, die damit verbundenen Arbeitsbedingungen und die Abmilderung möglicher nachteiliger Auswirkungen.
  • Das Recht auf Unveräußerbarkeit persönlicher Daten, da sie ähnlich wie Körperteile Bestandteil der persönlichen Integrität sind.

5.4. Gesellschaftlichen Wandel arbeitsrechtlich unterstützen

Elternschaft: Bessere Vereinbarkeit und Erhöhung der Väterbeteiligung
Das gesellschaftliche Bild von Elternschaft – sowohl in Bezug auf die Mutter als auch den Vater – ist nach wie vor sehr konservativ. In den letzten Jahren wurden wichtige Instrumente zur Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung geschaffen, doch gibt es noch immer dringenden Verbesserungsbedarf. Mit der Anrechnung der Elternkarenzzeiten auf dienstzeitabhängige Ansprüche und dem Rechtsanspruch auf das Papamonat konnten wir zwei unserer zentralen Forderungen umsetzen. Finanzielle und strukturelle Nachteile, die Elternschaft mit sich bringt, konnten dadurch aber nur teilweise beseitigt werden. Auch die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit verschiedenen Betreuungspflichten ist nach wie vor mehr als ausbaufähig.

Wir fordern daher:

  • Fortzahlung ALLER Entgeltansprüche während der Schwangerschaft (derzeit sind Entgelte aus Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit ausgenommen).
  • Sensibilisierung der Unternehmen, dass es selbstverständlich sein muss, wenn Männer Väterkarenz in Anspruch nehmen.
  • Volle Bezahlung im Papamonat.
  • Rechtsanspruch auf Elternteilzeit auch in Kleinbetrieben mit weniger als 20 Mitarbeiter:innen.
  • Einen finanziellen Anreiz zur gleichzeitigen Inanspruchnahme von Elternteilzeit durch beide Elternteile. Damit kann der Einkommensnachteil durch Teilzeit mit einer Erhöhung der Väterbeteiligung verbunden werden, ebenso können überlange (und damit nachteilige) Karenzzeiten zugunsten einer geteilten Teilzeit reduziert werden.
  • Keine Aufweichung der Schutzbestimmungen bei Schwangeren.

Durchbruch der gläsernen Decke
Die Gleichstellung von Frauen in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen ist auch weiterhin ein zentrales Ziel der PRO-GE.

Mit der Einführung der Einkommensberichte steht uns ein wichtiges Instrument zur Verfügung, um die noch immer hohen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern aufzuspüren. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, in dem noch dazu beide Geschlechter ausgewogen vertreten sind, ist das eine gute Basis für entsprechende Analysen und weitere Maßnahmen. Gleichzeitig sehen wir, dass dieses Instrument für die Praxis viel zu bürokratisch und behäbig ist.

Wir fordern daher:

  • Die Weiterentwicklung der Einkommensberichte: Stufenweise Ausweitung auf kleinere Unternehmen, Erstreckung auf alle Entgeltbestandteile, nachweisliche Analysen und verpflichtende Maßnahmen, effektive Sanktionen.
  • Eine Weiterentwicklung der diskriminierungsfreien Stellenausschreibungen: Antragsrecht für Interessenvertretungen bei falschen oder fehlenden Angaben, verpflichtende Angabe des anzuwendenden Kollektivvertrags.
  • Betriebsvereinbarungen zur Frauenförderung und besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen vom Betriebsrat vor der Schlichtungsstelle „erzwungen“ werden können.
  • Betriebliche Frauenförderung muss ein Kriterium für öffentliche Ausschreibungen sein.
  • Förderung von Mädchen in „nichttraditionellen“ Berufen, da die Einkommensschere bereits bei der Berufswahl beginnt.

Pflege naher Angehöriger und Arbeit
Kinderbetreuungspflichten und Berufstätigkeit sind ohnehin schwer unter einen Hut zu bringen. Eltern von Kindern mit einer Behinderung oder schweren Erkrankungen geraten dabei schnell in existenzielle Notlagen. Auch bei der Pflege anderer naher Angehöriger, wie der Eltern oder der Schwiegereltern, gibt es große Lücken.

Sowohl die Kinderbetreuung als auch die Betreuung naher Angehöriger ist gesellschaftlich noch immer wesentlich häufiger Aufgabe der Frauen als der Männer. Während es dringend einen Ausbau des öffentlichen Angebots im stationären wie im häuslichen Bereich braucht, sind auch bestimmte arbeitsrechtliche Maßnahmen notwendig, um die Betroffenen nicht aus dem Erwerbsleben und in die Armutsfalle zu drängen:

  • Der generelle Wegfall des gemeinsamen Haushalts als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Pflegfreistellung und Familienhospizkarenz.
  • Ein doppelter Anspruch an Pflegefreistellung für chronisch kranke oder behinderte Kinder (Kinder, für die erhöhte Familienbeihilfe gebührt).
  • Die PRO-GE steht zur Pflegeteilzeit/-karenz als kurzfristige Überbrückungsmöglichkeit in Notlagen, die gleichzeitig Frauen nicht aus dem Erwerbsleben drängen soll. Was fehlt, ist ein Rechtsanspruch für die Inanspruchnahme sowie die Möglichkeit, eine Pflegekarenz zu unterbrechen, zB bei vorübergehendem Krankenhausaufenthalt der oder des zu pflegenden Angehörigen.

Behinderteneinstellungsgesetz
Die PRO-GE fordert die Rücknahme der im Jahr 2011 eingeführten Verschlechterung des Kündigungsschutzes für begünstigt Behinderte. Tatsächlich hat der verminderte Kündigungsschutz nicht zur vermehrten Einstellung dieser Arbeitnehmer:innen geführt. Darüber hinaus fordern wir, dass begünstigt Behinderte mit einer Teilzeitbeschäftigung nur anteilig auf die Einstellpflicht angerechnet werden und die Ausgleichstaxe erhöht wird.

Die Gewerkschaft PRO-GE wird sich in den von ihr verhandelten Kollektivverträgen vermehrt dafür einsetzen, einen Sonderurlaub für begünstigt behinderte Arbeiter:innen in die Forderungsprogramme aufnehmen und sukzessive an seiner Umsetzung arbeiten.

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